Post Mortem
Nach dem Tod Chopins
Am
nächsten Tag hat Teofil Kwiatkowski mit Aquarellfarben den auf einen Kissen
ruhenden Kopf des Verstorbenen gemalt. Auch Albert Graefle zeichnete mit Bleistift ein
Portrait. Clésinger nahm die Totenmaske ab und fertigte einen Abguss der Hand
an. Bei der Obduktion wurde das Herz entfernt, anschließend wurde der Leichnam
einbalsamiert und in der Krypta La Madeleine aufgebahrt, wo er bis zu der fast
zwei Wochen später stattfindenden Trauerfeier blieb.
In der Pariser Presse fand Chopins Tod ein großes Echo. Die Artikel der
polnischen Presse, die sich Chopins Tod widmeten, zeichneten sich selbstverständlicherweise
durch eine ganz besondere Stimmung aus. Oskar Kolberg,
der bekannte Volksmusikforscher und Freund des Komponisten, schreib am 1.
November in der "Biblioteka Warszawska" (Warschauer Bobliothek):
"... kein Redner erschütterte stärker als er seine Zuhörer, kein Arzt
verstand es erfolgreicher als er, dem Herzen zugefügte Wunden zu lindern, keine
Hand hielt seit Beethovens Tod mutiger das Zepter der Musik und keiner schwang
es sanfter und anmutiger als er. Jeder, dessen Herz sorgenvoll war, verlangte
nach ihm wie nach dem Retter; und jedem, der Trost brauchte, war es wie Balsam
für das Herz; und die Herzen der Kinder und jungen Mädchen fühlten sich von
ihm angezogen wie von einem Geliebten, und diese Quelle des Trostes stand
jederzeit allen offen."
Am 30. Oktober fand in der Kirche La Madeleine der Trauergottesdienst statt.
Während der Sarg aus der Krypta getragen wurde, spielte das Orchester Chopins
Trauermarsch in der Instrumentierung von Henri Reber. Anschließend spielte der Organist
Louis Lefébure-Wély die Préludes e-moll und h-moll. Zum Abschluss der
Feierlichkeiten erklang Mozarts Requiem mit dem Orchester und dem Chor der
Konzertgesellschaft des Konservatoriums unter der Leitung von Narcisse Girard;
unter den Solisten waren Pauline Viardot und Luigi Lablache.
Von der Kirche bewegte sich der Leichenzug zum Friedhof Père-Lachaise. An
der Spitze schritt Fürst Adam Czartoryski, neben ihm Giacomo Meyerbeer,
stellvertretend für andere Komponisten. Neben dem Sarg, das Bahrtuch haltend,
gingen Marcelinas Ehemann Aleksander Czartoryski, Franchomme, Delacroix und
Pleyel. Hinter dem Sarg liefen Chopins Schwester Luduwika, ihre Tochter und Jane
Stirling, hinter ihnen viele nahe und entfernet Freunde, bekannte, Verehrer und
Landsleute des Künstlers.
Die Kosten dieses - ganz privaten - Begräbnisses übernahm Ludwika, die
sich von Miß Stirling 5000 Francs zu diesem Zweck geliehen hatte. Clésinger
hatte das Grabmal entworfen und auch angefertigt, und es wurde von einem Komitee
finanziert, dessen Vorsitzender Delacroix war. Die feierliche Enthüllung der Skulptur
fand zum ersten Todestag Chopins am 17. Oktober 1850 statt.
Luduwika Jedrzejewicz räumte nach dem Begräbnis die Wohnung am Place
Vendome aus und kehrte nach Warschau zurück. Persönliche Sachen ihres Bruders,
Manuskripte und andere kleinere Gegenstände, nahm sie mit, ebenso sein Herz,
das sie in einem speziellen Gefäß in Spiritus transportierte. Seit 1850 ruht
es in einer Urne in einer Säule der Heiligkreuz-Kirche in Warschau, nur wenige
Schritte von Chopins letzter Wohnung in Polen entfernt. Im Jahre 1880 versah
Leandro Maroni die betreffende Säule mit einem Epitaph, das einen Satz aus
Matthäus 6 enthält: "Denn wo dein Schatz ist, das ist auch dein
Herz."
Quellenangaben
(Textauszug aus "Chopin, Sein Leben, sein Werk, seine Zeit", Tadeusz A. Zielinski, ISBN 3-7857-0953-6)
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