4 Mazurken Opus 6
Diese erste Sammlung von 4 Mazurken entstand zwischen 1830-32. Schon hier
zeigt sich die hohe Kunst Chopins im Stilisieren von Tänzen.
Mazurka op.6 Nr.1 in fis-moll
Nr.1 ist ein sehr lebhaftes Stück, welches bis heute zu den beliebtesten
Mazurken Chopins zählt. Der Bass auf der ersten Zählzeit ist
meistens tief ,,im Keller" und einstimmig, die zwei nachfolgenden
Viertel sind zwei- oder dreistimmige Akkorde im mittleren Bereich, also
nach bester Tanzmanier,
dem Walzer oder Mazur nicht ganz unähnlich. Der Mittelteil ist im
Gegensatz zu den Außenteilen laut, am Taktanfang steht sogar ein
ff Akkord mit Akzent (meist auf nur einem Ton, vierfach unisono), der
etwas trotziges, aufmüpfiges
an sich hat und zeigt, dass Chopin jede Menge Energie besitzt, trotz
seiner angegriffenen körperlichen Verfassung.
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Mazurka op.6 Nr.2 in cis-moll
Nr.2 ist eher etwas langsamer und behutsamer zu spielen. Am Anfang setzt
er eine Einleitung, als wolle er nicht gleich mit der Tür ins
Haus fallen. Man könnte glauben, man ist im Orient: in der linken
Hand leiernde Quinten (Bordunbässe) im Schema Viertelnote + Halbe
auf Gis und Dis, also der Dominante der Grundtonart cis-Moll. Die säuselnde,
sitarähnliche
Melodie liegt in der Mittelstimme, während Gis in der Oberstimme
liegt (zwei Oktaven über dem Gis im Bass) und die innere Stimme
einbettet, indem sie genau das gleiche tut wie der Bass. Nach einem
Moll-Teil folgt ein raffiniertes
Zwischenstück: Er umfunktioniert die Dominante von cis-Moll, also
den Gis-Dur-Dreiklang kurzzeitig zur Tonika. Somit entsteht eine Dur-ähnliche
Stimmung ohne aber das Gefühl zu haben, sich in einer anderen
Harmonie zu befinden. Diese schnellen Wechsel von Dur und Moll klingen
heute raffiniert
und erfrischend, keinesfalls ungewöhnlich; damals aber waren diese
Harmonien doch ziemlich gewöhnungsbedürftig und nicht wenige
fanden solche Akkordzusammensetzungen krotesk, gekünstelt und
abstoßend. Chopin
war eben seiner Zeit wohl meilenweit voraus. Im Takt 32, dem Mittelteil
also, wechselt er zu einem Thema, das in E-Dur, also der Paralleltonart
von cis-Moll
steht. Es wird im Anschluss zwei Ganztöne, als eine große
Terz höher
wiederholt. Kompositorische Finesse vom feinsten. Dieses Thema erinnert
mich stark an eine Passage von Udo Jürgens Song: Ich war noch
niemals in New York, wobei ich bei der Etüde op.10 no.3 immer
an Peter Maffays: Du denken muss. Chopin hat damals schon geahnt, welche
Melodien heute ,,in" sind.
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Mazurka op.6 Nr.3 in E-dur
Stück Nr.3 fängt ähnlich an wie Nr.2, jedoch schnörkelloser,
transparenter und direkter. Im Takt 9 beginnt das originelle Thema
regelrecht emporzusteigen, voller Stolz und Energie. Das gesamte Stück
ist sehr ausgelassen und steht, entgegen der Mehrzahl der Mazurken in Dur.
Die Begleitung besteht
größtenteils aus homogenen Quint- oder Akkordwiederholungen
und hat weniger Dorffestcharakter als andere seiner Stücke dieses
Genres. Im Mittelteil, (die Mittelteile sind generell Chopins Paradestücke
in seinen Mazurken, was Originalität und Abwechslung anbelangt)
, der im Kontrast zu den Außenteilen in Moll steht, bringt
er am Themaanfang jeweils am Ende des Taktes eine Viertel- Pause,
die sehr wirkungsvoll ist: man kann
sich in die folgenden Takte ,,hineinfallen" lassen. Diese Passage
macht mir beim Hören wie auch beim Spielen (ich spiele selbst
einige Mazurken Chopins) besonderen Spaß.
Ferner kann man hier Klangfarben traditioneller Musikinstrumente,
vor allem die des Dudelsacks erahnen (siehe die Bordun-Quinten in
der Einleitung).
Im Originalmanuskript (verschollen) der Mazurka op.7 no.2 soll die
Originalhandschrift Chopins das Wort ,,duda" (polnisch für:
Dudelsackpfeifer) zwischen den Notenlinien des ersten Taktes enthalten
haben.
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Mazurka op.6 Nr.4 in es-moll
Die vierte und kürzeste der Mazurken, die zweiteilige Mazurka es-moll,
verbindet einen für die ländliche Musik typischen Melodieumsriss mit einer
weichen romantischen Harmonik. Motive eines nostalgischen Kujawiaks werden
kombiniert mit Rhythmus und Tempo eines wirbelnden Obereks (Presto, ma non
troppo) - und zwar so, dass daraus ein künstlerisch ungewöhnlich kondensierter
Monolith ensteht!
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Quellenangaben
- http://www.hausarbeiten.de/faecher/hausarbeit/mus/18366.html
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