Etüde in As-Dur op.25 Nr.1 "Sternenregen"

Chopins Freund und Kollege Schumann verglich die erste Etüde aus Opus 25 mit einer "Äolsharfe".

"Durch die Harmonien hindruch vernahm man in großen Tönen Melodie, eine wundersame..."

"Nach der Etüde wird's einem wie nach einem sel'gen Bild, im Traum gesehen, das man schon halbwach, noch einmal erhaschen möchte."

Die Etüde stürzt sich auf regelmäßige, in beiden Händen synchron und unverändert fortlaufende Figurationen (in der linken Hand bildet jede Figur eine bogenförmige Gestalt, in der rechten dagegen eine leicht mäandrische), zugleich stellt der fünfte Finger in der Oberstimme eine fließende, kantabnle Melodie heraus.

Die wenig bewegte Melodie selbst (sie ist in größeren Notenköpfen gedruckt) erscheint ziemlich asketisch und geht die ersten sechs Takte nicht über den Rahmen einer Pentatonik hinaus. Von den wie auf einer Harfe gespielten weichen Figuartionen gestützt und gewiegt, nimmt sie noch an Gefühlskraft zu, bis sie sich schließlich zum inbrünstigen Leid steigert. Indem er die Sechsehntelfigurationen mit kleinen Köpfen notiert, stellt der Komponist ihre Rolle als ornamentalen Rahmen der "gesungenen" Melodie heraus. Doch liegt ihre Bedeutung zugleich in der Kolerierung, und zwar in zweifacher Hinsicht: einerseits durch die zart glitzdernde, arabeskenhafte Gestalt, andererseits aber auch durch ihren besonderen harmonischen Gehalt - es brauchen hier nur die Takte 3 oder 14-16 erwähnt zu werden, wo sich die unterschiedlichen harmonischen Funktionen gegenseitig so apart durchdringen.

Im Mittelteil (ab Takt 17) wird die Melodie noch gesanglicher und gefühlvoller, was nicht zuletzt mit den Modulationen in Zusammenhang zu bringen ist. Auf dieses lyrische Entzücken folgt - statt einer Reprise - unmittelbar die Coda (Takt 36), in der Melodik und Harmonik auf ein Minimum reduziert werden und zugunsten einer pastelligen Farbgebung weichen. Die herkömmliche Kadenz fehlt hier wieder, statt dessen gründen die letzten zehn Takte einzig auf der Tonika - und dennoch finden wir kein statistisches Klangbild vor, sondern eine Entwicklung bis hin zum Schluss, der durch einen Triller in der linken Hand markiert wird.

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Quellenangaben

  1. Tadeuz A. Zielinski: "CHOPIN - Sein Leben, sein Werk, seine Zeit"